Das Borderline Netzwerk

Wir sind eine Plattform für alle, die von der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) betroffen sind – Betroffene, Angehörige und professionelle Herlfer:innen. Unser Ziel ist es, Informationen bereitzustellen, Aufklärung zu fördern und einen Raum für Austausch und Unterstützung zu schaffen. Hier finden Sie wertvolle Ressourcen, Erfahrungsberichte, praktische Tipps und Kontakte zu professionellen Hilfsangeboten. Im Mittelpunkt steht dabei immer der Mensch – mit seinen Herausforderungen, Stärken und Möglichkeiten. Gemeinsam möchten wir Vorurteile abbauen, Verständnis fördern und Wege zu einem Leben mit BPS aufzeigen. Egal, ob Sie Unterstützung suchen oder Ihr Wissen teilen möchten – Sie sind hier richtig.

Von der Klinik für Psychoanalyse und Psychotherapie der Medizinischen Universität Wien wurde 2021 unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Stephan Doering die Gründung eines Borderline-Netzwerks initiiert, die zur Zusammenkunft mit 35 und mittlerweile 43 verschiedenen mit der BPD-Behandlung vertrauten Institutionen und professionellen Helfer:innen geführt hat. Bei zahlreichen Fachgruppentreffen und Arbeitsgruppentreffen konnten Kooperationsmöglichkeiten sowie gemeinsame Standpunkte gefunden werden, die in der klinischen Versorgungsrealität von Borderline-Patient:innen eine wesentliche Rolle spielen. Dabei zeigt es sich, dass es deutliche Verbesserungspotenziale in der Kommunikation und Zugänglichkeit von Versorgungsmöglichkeiten von BPD-Patient:innen gibt. Ebenso stellen Fortbildungsmöglichkeiten und interdisziplinäre Verständigung eine notwendige Voraussetzung für eine integrierte Therapieplanung für Patient:innen, eine Realität von der wir nach wie vor weit entfernt sind.

Die Teilnehmer:innen der Netzwerktreffen halten die Rolle von Selbsthilfegruppen und niederschwelliger Angebote für Angehörige für dringend ausbaubar, da diese in Österreich de facto fehlen und entwickelt werden müssen. Ähnliches gilt für Psychoedukationsangebote für Patient:innen wie auch für interdisziplinäre und integrative Fortbildungen, die Fragmentierungstendenzen im Gesundheitssystem entgegenwirken und gegenseitige Verständigung fördern würden. In Anbetracht der Tatsache, dass die allgemeine Verfügbarkeit von Fachkräften für die Versorgung von psychisch Erkrankten in Österreich in urbanen Regionen deutlich besser ist als im ländlichen Raum7 und die spezialisierte Ausbildung und Behandlung von BPD sich großteils auf Wien und Umgebung konzentriert, besteht die dringende Notwendigkeit, die regionale Distanz zwischen potenziellen Stakeholdern zu überbrücken, wobei sich digitale Mittel der Kommunikation, wie sie in der COVID-Pandemie erfolgreich zum Einsatz kamen, als hilfreich erweisen könnten.

Als ein wesentliches erstes Ziel des Netzwerks wurde daher das Zusammentragen der Behandlungsangebote für Patient:innen sowie der Fortbildungsangebote für Fachpersonal erachtet, weshalb Arbeitsgruppen initiiert wurden, die sich der Entwicklung folgender Bereiche annehmen werden:

  1. Web-Informationsportal
  2. Versorgungs- und Institutionsverzeichnis
  3. Selbsthilfe
  4. Veranstaltungen und Fortbildungen
  5. Kinder und Jugendliche

Diese Arbeitsgruppen erarbeiten gemeinsame Standards und Prozesse zur Stärkung der Sichtbarkeit und der Zusammenarbeit u. a. durch einen gemeinsamen Auftritt auf einer integrierten digitalen Plattform.

Neben der kokreativen Vorgangsweise bei der Entwicklung des Borderline-Netzwerks, bei dem die Teilnehmer:innen eine organisch wachsende Community selbst gestalten, lässt sich auch ein idealtypisches, aus der Good Clinical Practice stammendes Konzept eines Borderline-Netzwerks darstellen, das für die Behandlung von Patient:innen hilfreich wäre.

Kapusta N. 2023. Spektrum Psychiatrie Heft 02.

Ein solches Borderline-Netzwerk sollte idealerweise die Bedürfnisse von Patient:innen an erster Stelle adressieren, aber auch jene von Behandler:innen berücksichtigen, die für eine leitlinienorientierte Behandlung von BPD-Patient:innen bestimmte individuelle und institutionelle Bedingungen benötigen. Dazu zählen:

  1. eine evidenzbasierte Aus- und Fortbildung
  2. einheitliche Standards in der Diagnostik und Behandlung von BPS
  3. Zusammenarbeit und Professionalisierung in Form
  4. interdisziplinäre Fallkonferenzen
  5. Supervisionsmöglichkeiten
  6. eine bedarfsweise Einbeziehung von Patientenanwaltschaft und der Forensik
  7. Forschung

In Österreich liegt die Organisation von Aus- und Fortbildungen zum Thema Borderline-Erkrankung vorwiegend im Bereich der Fachgesellschaften und Universitäten. Da eine professionelle Aus- und Fortbildung evidenzbasiert und leitlinienorientiert sein sollte, ist ein ständiger Austausch mit der internationalen Gemeinschaft und österreichischen Forschungsinstitutionen zu empfehlen, die internationale Ergebnisse an die landesspezifischen und sozialversicherungsrechtlichen Gegebenheiten adaptieren müssen. Ebenso wie klare Empfehlungen zu leitlinienorientierten Therapien (Dialektisch-Behaviorale Therapie [DBT], Transference-focused Psychotherapy [TFP], mentalisierungsbasierte Psychotherapie [MBT], Schematherapie) und bestimmtem Einsatz psychiatrischer Begleitmedikation (AMWF, 2021) existieren, sind auch diagnostische Standards vorhanden, die jedoch in Österreich noch nicht weitläufig etabliert sind. Digitale Plattformen könnten künftig eine Überbrückung von räumlichen Distanzen ermöglichen und würden den Einsatz evidenzbasierter Diagnostik, Fort- und Weiterbildung, Fallkonferenzen, Supervision u.v.m. flächendeckend in Österreich ermöglichen.

Die Professionalisierung der Zusammenarbeit zwischen den multidisziplinären Behandler:innen wäre eine wichtige Entwicklung. Auf der Grundlage des Europäischen Aktionsplans (EAP) zur Stärkung der Kapazitäten und Dienste im Bereich der öffentlichen Gesundheit schlug die WHO bereits vor einer Dekade vor, spezifische Maßnahmen zur Entwicklung der öffentlichen Gesundheit zu setzen. Dazu gehören die Verbesserung der Reaktionsfähigkeit der Gesundheitssysteme im Umgang mit Notfällen, die Stärkung der Kompetenzen von Arbeitskräften im Gesundheitswesen und die verstärkte Sorge um Mitarbeitergesundheit sowie die Stärkung der Nachhaltigkeit von Organisationsstrukturen, allesamt wichtige Maßnahmen, die insbesondere im ohnehin stark an seinen Belastungsgrenzen stehenden psychosozialen Bereich dringend gesetzt werden müssten.

Literatur

Kapusta N. 2023. Das Borderline-Netzwerk. SPECTRUM Psychiatrie SP 02|2023