Schematherapie für Borderline-Störungen
Die Schematherapie ist eine integrative Form der Psychotherapie, die Elemente aus der kognitiven Verhaltenstherapie, Bindungstheorie, Gestalttherapie und Psychoanalyse verbindet. Sie wurde von Jeffrey E. Young entwickelt und ist besonders wirksam bei der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen, einschließlich der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS). Im Mittelpunkt steht die Arbeit mit sogenannten „Schemata“ und „Modi“, die helfen, tief verwurzelte Verhaltens- und Denkmuster zu erkennen und zu verändern.
Grundprinzipien der Schematherapie
Schemata:
Schemata sind tief verankerte, negative Überzeugungen über uns selbst, andere Menschen und die Welt. Sie entstehen häufig durch schwierige oder traumatische Erfahrungen in der Kindheit, z. B. durch Vernachlässigung, Missbrauch oder emotionale Unsicherheit. Bei Menschen mit Borderline können typische Schemata sein:
- „Ich bin wertlos.“
- „Niemand wird mich jemals wirklich lieben.“
- „Die Welt ist ein gefährlicher Ort.“
Modi:
Die Schematherapie geht davon aus, dass Menschen zwischen verschiedenen „emotionalen Zuständen“ wechseln, die als Modi bezeichnet werden. Bei Borderline-Betroffenen geschieht dieser Wechsel oft sehr schnell und intensiv. Wichtige Modi bei BPS sind:
- Verletztes Kind: Ein Zustand, in dem sich Betroffene hilflos, traurig, einsam oder verängstigt fühlen.
- Wütendes Kind: Hier dominieren Wut, Frustration und das Gefühl, unfair behandelt zu werden.
- Bestrafer-Modus: Eine innere Stimme, die den Betroffenen kritisiert, abwertet oder Schuldgefühle einredet.
- Bewältigungsmodi: Dazu gehören Verhaltensweisen wie emotionale Vermeidung, Impulsivität oder übermäßige Anpassung, um Schmerzen zu umgehen.
- Gesunder Erwachsener: Ein stabiler Modus, der Verantwortung übernimmt, für sich selbst sorgt und realistische Perspektiven einnimmt. Ziel der Schematherapie ist es, diesen Modus zu stärken.
Wie funktioniert die Schematherapie bei Borderline?
Die Therapie konzentriert sich darauf, die schädlichen Schemata und Modi zu identifizieren, ihre Ursprünge zu verstehen und sie schrittweise zu verändern. Es geht darum, alte, ungesunde Muster durch neue, gesündere Strategien zu ersetzen.
1. Diagnostik und Bewusstmachung
In den ersten Sitzungen wird analysiert, welche Schemata und Modi bei der betroffenen Person besonders ausgeprägt sind. Mithilfe von Fragebögen und Gesprächen wird ein individuelles Schema- und Modusprofil erstellt.
2. Verstehen der Entstehung
Die Therapeutin oder der Therapeut hilft der Person, die Verbindung zwischen belastenden Kindheitserfahrungen und den heutigen Mustern herzustellen. Dadurch wird klar, dass viele Verhaltensweisen früher Schutzmechanismen waren, heute aber zu Problemen führen.
3. Arbeit mit den Modi
- Verletztes Kind: Der Fokus liegt darauf, diesem Modus Mitgefühl und Verständnis entgegenzubringen. Oft wird der Therapeut oder die Therapeutin zur sogenannten „ersatzelterlichen Figur“, die das innere verletzte Kind stärkt.
- Wütendes Kind: Die Wut wird als berechtigtes Gefühl anerkannt, jedoch wird daran gearbeitet, sie auf gesunde Weise auszudrücken, ohne impulsive oder zerstörerische Handlungen.
- Bestrafer-Modus: Dieser Modus wird hinterfragt und entmachtet. Ziel ist es, die Selbstkritik durch eine mitfühlende, unterstützende Haltung sich selbst gegenüber zu ersetzen.
- Gesunder Erwachsener: Die wichtigste Aufgabe ist es, diesen Modus zu stärken. Der Therapeut hilft der betroffenen Person, Selbstfürsorge zu erlernen, Grenzen zu setzen und konstruktive Lösungen zu finden.
4. Emotionsfokussierte Techniken
Die Schematherapie nutzt kreative Methoden, wie z. B. Stuhlarbeit oder Imagination. Diese Techniken helfen, in Kontakt mit den verschiedenen Modi zu kommen und alte emotionale Verletzungen zu bearbeiten. Ein Beispiel ist die Vorstellung, das innere verletzte Kind in einer sicheren, liebevollen Umgebung zu versorgen.
5. Verhaltenstraining
Neben der emotionalen Arbeit werden auch praktische Fertigkeiten vermittelt, um die Herausforderungen des Alltags besser zu bewältigen. Dies kann beinhalten:
- Konfliktbewältigung
- Umgang mit starken Gefühlen
- Aufbau stabiler Beziehungen
Ziele der Schematherapie bei Borderline
Die Schematherapie strebt langfristige Veränderungen an und geht über die reine Symptombehandlung hinaus. Zu den zentralen Zielen gehören:
- Reduzierung von selbstschädigendem Verhalten: Betroffene lernen, auf destruktive Bewältigungsstrategien wie Selbstverletzung zu verzichten.
- Stärkung des gesunden Erwachsenen-Modus: Dieser Modus wird so gefestigt, dass er schwierige Situationen besser steuern kann.
- Verbesserung der Emotionsregulation: Betroffene entwickeln Strategien, um intensive Gefühle zu bewältigen, ohne von ihnen überwältigt zu werden.
- Aufbau stabiler Beziehungen: Durch die Arbeit an Schemata und Modi können zwischenmenschliche Beziehungen stabiler und erfüllender gestaltet werden.
- Verbesserung des Selbstwertgefühls: Durch das Verstehen und Hinterfragen negativer Schemata können Betroffene ein positiveres Selbstbild entwickeln.
Wie lange dauert die Schematherapie?
Die Schematherapie ist eine tiefgehende Behandlung und kann daher mehrere Monate bis Jahre dauern. Besonders bei Borderline-Störungen ist ein langfristiger Ansatz notwendig, um stabile Veränderungen zu erreichen. Die Dauer hängt von der Schwere der Symptome und dem individuellen Fortschritt ab.